Was ist eigentlich Rassismus?
Die meisten (weißen) Menschen verstehen unter Rassismus etwas, dass leicht abgegrenzt werden kann. Parolen, die bestimmte Leute aus Deutschland rausschmeißen wollen. Das N-Wort. Aber doch nicht eine Frage wie “wo kommst Du her?”! Die ist doch unschuldig.
Wäre sie ja auch. Ohne Kontext.
Nur wird sie eben nicht unabhängig von dem gesellschaftlichen Drumherum gestellt. Wenn eine weiße Klassenkameradin diese Frage nur einem schwarzen Klassenkameraden stellt, schwingt da all Diskriminierung mit. Der Klassenkamerad wird ausgegrenzt, denn sein Recht hier zu sein, wird in Frage gestellt. Diese Frage existiert in einem gesellschaftlichem Umfeld, in dem diese weiße Klassenkameradin eher eine Anstellung bekommt. Oder eine Wohnung. Oder ein Darlehen. Sie kann auch ganz unbehelligt auf der Straße gehen, ohne dass eine Polizistin sie nach ihren Papieren fragt. Denn weiße Menschen gehören ja nach Deutschland; nur schwarze und Menschen of Color habe Immigrationshintergrund. (Was natürlich nicht stimmt! Ich, eine weiße Frau, habe auch eine Aufenthaltserlaubnis, zum Beispiel…)
Sklaverei, Apartheid, ja selbst das Aufmarschieren von neo-Nazis in Charlottesville, Chemnitz und anderswo sind für mich (und andere Anti-Rassismus AktivistInnen) Teil der Definition, aber eben nur ein Teil. Sie werden ganz offen durch Parolen begleitet, die wir als “rassistisch” benennen.
Allerdings sind es nicht nur krasse Parolen, die unser Zusammenleben beeinflussen. Ibram X. Kendi nennt dies rassistische Ideen, d.h., Ideen, die dazu benutzt werden, Richtlinien und Politik (z.B. Immigrationspolitik) zu rechtfertigen. Sklaverei war nicht möglich, ohne dass sie irgendwie gerechtfertigt wurde – “Gott will das so,” “schwarze Menschen sind natürliche Sklaven,” also die rassistischen Ideen – und durch Gesetze wie das, dass schwarze versklavte Menschen nur zu 3/5tel Mensch zählten. Also Rassismus ist ein System, was durch rassistische Ideen aufgebaut und gepflegt wird. Und dieses System besteht eben heute immer noch. In den USA, ist es schwieriger für schwarze und Wähler*innen of Color ihre Stimmen abzugeben. Das ist nicht, weil individuelle Rassisten sie davon hindern, sondern weil es Gesetze gibt, die es schwerer machen, für bestimmte Menschen an Wahlen teilzunehmen.
Nun ja. Meine Post war doch aber über eine Frage, nicht über diskriminierende Gesetzte. Das Problem wird mit dem Wort “Mikroaggression” beschrieben, es ist also eine kleine Aggression, eine kleine Verletzung. Klein, in diesem Zusammenhang, heißt leider nicht unwichtig, denn Mikroaggressionen sind wie kleine Nadelstiche, die sich mit der Zeit anhäufen, weil sie immer wieder vorkommen. Auch wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sogenannte Mikroaggressionen einen Menschen beeinflussen. Natürlich nicht eine individuelle Frage “wo kommst du denn wirklich her?” Es ist die Häufigkeit dieser Frage, die die Botschaft sendet, dass ein Mensch nun doch nicht “so ganz” Deutsche ist. Und diese Frage wird Menschen of Color sehr häufig gestellt (siehe hier).
Letztendlich ging es mir in meiner Post mehr darum, dass ich lernen will, bessere Verbündete zu sein. Damit, z.B., mein Klassenkamerad erfährt, es gibt weiße Menschen, die bemerken, wenn seine Herkunft hinterfragt wird. Vielleicht so eine Art Mikrosolidarität, die auch nur dann wirklich Einfluss hat, wenn sie häufig genug erfahren wird.
Hinweis vom 9. März 2019: In dem Original dieser Post hatte ich den Ausdruck “farbige Menschen” benutzt. Seitdem habe ich gelernt, dass dieser Ausdruck aus der Kolonialzeit stammt und den Menschen selbst gewählte Ausdruck “people of color” oder “Menschen of color” ist.
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