Rassistische Bemerkungen Analysiert
In dieser Woche fielen wieder ein paar rassistische Äußerungen, eine von der Dozentin und eine andere von einer Klassenkameradin. Interessanter (und vielleicht auch ironischer) Weise lernten wir diese Woche auch, wie wir Kommunikation mit Hilfe des Kommunikationsquadrat untersuchen können.
Das Modell des Kommunikationsquadrats wurde von Friedemann Schulz von Thul entwickelt. Es beschreibt vier Ebenen, auf denen unsere Kommunikation wirksam ist. Unsere Dozentin stellte sie mit der hilfreichen Mnemonic oder Gedankenstütze eines (Kontra)Bass vor:
Beziehungsebene oder Beziehungshinweis
Appellebene oder Appell
Sachebene oder Sachinhalt
Selbstoffenbarungsebene oder Selbstkundgabe
Das kann durch diese Graphik sehr einfach illustriert werden:
Wie kann dieses Modell uns helfen, zu verstehen, warum manche Aussagen rassistisch sind? Ein paar Beispiele vom Unterricht, deren rassistischer Subtext durch das Kommunikationsquadrat klar wird und damit zeigen, dass solch scheinbar unschuldige Ausdrücke alles andere als unschuldig sind!
1. Beispiel
Dozentin, eine weiße Frau, sagt: „Es ist okay das Wort Neger zu benutzen“
Beziehungsebene: Es besteht eine hierarchische Beziehung: Weiße sind schwarzen Menschen überlegen.
Appellebene: „Hört auf, mir vorzuschreiben, welche Worte ich benutzen darf!“
Sachebene: „Es ist okay das Wort Neger zu benutzen“
Selbstoffenbarungsebene: „Ich, als weißer Mensch, darf bestimmen, welche Wörter ich benutze. Ich kann dabei die Gefühle anderer ignorieren.“
2. Beispiel
Eine weiße Klassenkameradin sagt zu einer anderen: „Bist du denn ein Zigeuner, dass du das nicht kannst?“
Sachebene: „Bist du denn ein Zigeuner, dass du das nicht kannst?“
Beziehungsebene: Die Beziehung enthält das implizite Einverständnis unter weißen Menschen, dass solche Ausdrücke gebraucht werden können.
Appellebene: „Mach das doch richtig!“
Selbstoffenbarungsebene: „Ich habe keine Angst ein (schon problematisches) Wort, dass ein anderes Volk (of color) bezeichnet, als Schimpfwort zu benutzen.“
Und leider hatte sie Recht. Ich habe es zwar gehört und fand es auch peinlich, habe aber nichts gesagt. Was ging da in mir vor?
3. Beispiel
(Es kann sein, dass ich hier das Modell nicht richtig anwende…)
Ich, als weiße Frau, sage nichts zu dem Gebrauch von rassistischen Wörtern.
Sachebene: Ich sage nichts.
Selbstoffenbarungsebene: „Ich habe Angst, etwas zu sagen.“ und leider auch auf einer noch tieferen Ebene: „Ich will mit dieser Frau zusammenhalten!“
Appellebene: „Bloß nichts sagen!“
Beziehungsebene: Das ist wohl die Ebene, wo mein Schweigen als offensichtlich problematisch erscheint, denn implizit nehme ich an, dass die Beziehung zu dieser anderen weißen Frau nicht durch rassismuskritisches Denken gestört werden darf.
(Beispiele 2 und 3 integrieren die hervorragende Auseinandersetzung mit unausgesprochenen Annahmen im Verhalten von weißen Menschen von Robin DiAngelo in ihrem Buch “White Fragility.”)
Hinweis vom 9. März 2019: In dem Original dieser Post hatte ich den Ausdruck “farbige Menschen” benutzt. Seitdem habe ich gelernt, dass dieser Ausdruck aus der Kolonialzeit stammt und den Menschen selbst gewählte Ausdruck “people of color” oder “Menschen of color” ist.
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